Der neue WordPress-Editor
Mit der Version 5 wird der alte Editor von WordPress abgelöst. Die Umstellung ist keine einfache Angelegenheit, wenn man den alten Editor lange Jahre benutzt hat. Andererseits: Man hat über die Jahre auch alle Einschränkungen akzeptiert, man hat möglicherweise die Mängel nicht mehr wahrgenommen. Der Umstieg steht an. Jetzt. Und es wird vermutlich nicht ganz einfach sein.
Machen wir doch gleich mal einen praktischen Test und Nutzen eine der Neuerungen von Gutenberg, den mehrspaltigen Text. Los geht’s:
Die Herausforderung
Es ist wie so häufig im Leben: Wir haben uns an etwas gewöhnt. Schnell sind wir gedanklich bei einem „Das war schon immer so“ — vor allem, wenn etwas Neues kommt, das liebgewordene Gewohnheiten und funktionierende Abläufe ersetzen soll.
Wenn das Neue von uns nun anfangs auch noch Mehraufwand verlangt, dann begrüssen wir es meist nicht wie eine lang erwartete Erlösung.
Der alte Ansatz
Wer viel schreibt und nicht nur auf gute, sondern auch übersichtlich gestaltete Texte Wert legt, für den war der alte Standard-Editor namens „TinyMCE“ nur schwerlich zu ertragen, denn ihm fehlten viele Formatierungsmöglichkeiten. Ich hatte ihn deshalb bereits vor langer Zeit durch „WP Edit“ ersetzt.
War die Zeit vor WP5 tatsächlich golden?
Der Editor WP Edit, der als Plugin in WordPress einzubinden ist, ermöglicht eine individuelle Anpassung der Formatierungsleiste mit diversen sinnvollen Buttons, einen Ex- und Import der Einstellungen und viele weitere nützliche Features (Abbildung 1).
Der erste Eindruck
Und nun der Neue: Gutenberg. Anfangs sieht dieser Editor aus wie — ja, wie eigentlich? Ist er weniger intuitiv? Verwirrend? Nicht hilfreich? Ich werde genauer hinschauen müssen …
Der zweite Eindruck
Bereits nach kurzer Zeit komme ich zu dem Ergebnis, dass nicht nur enorm viel Potential in Gutenberg steckt (das wir entdecken müssen, ja, es vielleicht sogar mühsam erobern), sondern dass dem neuen Editor ein wirklich guter und enorm strukturierter Ansatz zugrunde liegt.

Natürlich gibt es Verbesserungspotential — allerdings sind das aus meiner Sicht Dinge, die das WordPress-Team im laufenden Betrieb vornehmen kann, was für eine Open-Source-Software ein völlig normaler Prozess ist. Heute, im Februar 2019, ist Gutenberg aus meiner Sicht ein einsetzbarer Editor, mit dessen Schwächen ich schnell zu leben gelernt habe — wegen der Vorteile.
Allerdings lese ich immer mal wieder, dass manche BenutzerInnen nicht zurecht kommen mit der neuen Schreib- und Gestaltungsoberfläche.
Es geht auch ohne
Da bleibt immer noch die Möglichkeit, Gutenberg zu deaktivieren und zum alten Editor zurückzukehren. Ein Plugin kann diese Arbeit verrrichten — und man hat seinen alten Editor wieder. Ob das eine gute — und vor allem langfristige — Lösung ist, kann heute kaum beurteilt werden.
Andere Konzepte
So ganz verstehen kann ich die komplette Ablehnung Gutenbergs allerdings nicht: Man könnte ja, wenn man Gutenberg als zu anstrengend und vielleicht sogar ablenkend empfindet, seine Texte ganz puristisch in einem spartanischen Editor (wie beispielsweise Notepad++) verfassen und dann die „Setzarbeit“ in Gutenberg vornehmen. Denn für eine bessere Textgestaltung abseits des Schreibprozesses ist Gutenberg sicher keine schlechte Wahl.
Sieht doch ganz gut aus!
Ja, Textgestaltung — in diesem wichtigen Bereich kann Gutenberg tatsächlich punkten. Man muss natürlich um dessen Fähigkeiten wissen — womit wir wieder beim Anfang wären: Man muss sich Gutenberg erarbeiten.
Das Beste aus zwei Welten?
Gutenberg bietet den Block „Classic“ an, in dem beispielsweise WP Edit (fast so wie vorher, siehe Abbildung 2) zur Verfügung steht.

Abbildung 1 — vor WP5: WP Edit bot bereits viel Funktionalität

Neue Features
Neue Features wie Spaltentext (in diesem Artikel habe ich das oben ja gerade ausprobiert), Tabellen oder „Medien und Text“ gab es früher nicht in einer Standard-Wordpress-Installation. Wer also einen eher spartanischen Editor bevorzugte, die oder der wird mit der Vielfalt der Möglichkeiten Gutenbergs vermutlich überfrachtet.
Andererseits ist es natürlich spannend, die neuen Möglichkeiten mal auszuprobieren. Wir leben schliesslich nicht mehr in der Zeit, in der HTML-Seiten von links oben nach rechts unten verliefen und die Einbindung von Fotos und formatierten Links noch kleine Sensationen waren. Frisches Layout ist gefragt!
Haarspaltereien?
Das Spalten-Layout habe ich ja bereits oben ausprobiert. Dabei darf man natürlich keinen Fliesstext erwarten, der sich — wie in einem Satzprogramm — automatisch in den Spalten verteilt. Händische Arbeit ist gefragt, um den Text ausgewogen zu verteilen. Wem das zu viel ist, der oder die soll es einfach lassen. Ich finde aber: Die Ergebnisse können sich sehen lassen.
Was mit Medien machen
Solche eher technischen Artikel wie dieser hier sind meist langweilige Textwüsten. Es fehlen häufig — aus nachvollziehbaren Gründen — auflockernde Bilder oder Grafiken, die so etwas wie Lesevergnügen aufkommen lassen. Und wenn man schon mal solches Material hat, dann sieht das Layout häufig altbacken aus.

Testen wir also ein weiteres neues Feature: Medien und Text. Das Handling ist einfach, denn es gibt dafür einen definierten Block. Die Darstellungsmöglichkeit ist nicht granular und das Vorgehen intuitiv.
Wer jemals Bilder und den zugehörigen Text im alten Editor an eine andere Position bringen wollte, der oder die wird sich über dieses Feature freuen. Sieht doch gut aus, oder? Und ist als kompakter Block problemlos zu verschieben. Ich mag’s.
Ein (wirklich nur) kleines Fazit
Gerade diese Tage habe ich ernsthaft begonnen, mich mit Gutenberg zu befasssen — ich bin kein sogenannter „Early Adopter“. Deshalb ist fast alles für mich ungewohnt. Ja, auch ich hadere ein wenig, denn ich kann nicht behaupten, dass ich so viel Kontrolle über meine Texte und die Seitengestaltung habe, wie es vor Gutenberg der Fall war.
Nach dieser nur kurzen „Erfahrung“ mit Gutenberg kann ich festhalten: Der Umgang mit dem neuen Editor ist nicht einfach. Vor allem die Blockstruktur nötigt mich zu einer anderen Denk- und Vorgehensweise.
Aber der neue WordPress-Editor ist vor allem eines: mächtig. Betrachten wir ihn nicht als Hilfsmittel, das uns beim Verfassen guter Texte unterstützt, sondern als ein Design-Werkzeug. Dann können nicht nur die neuen Features hilfreich sein, sondern auch die klarere und gut aufgeräumte Struktur.
Natürlich gibt es ein paar Bugs (die verschiedene farbliche Darstellung der Zwischenüberschriften ist wohl so einer — oder sitzt das Problem auch hier vor dem Bildschirm?) und jede/r wird Dinge finden, die unverständlicherweise noch fehlen: Warum kann ich beispielsweise eine solche Überschrift nicht farblich gestalten (ohne in den HTML-Modus zu schalten)?
Es wird auch für mich einige Zeit dauern, bis ich mich gewöhnt haben werde an die neue Handhabung. Aber ich merke bereits jetzt, dass da viel Potential steckt in Gutenberg. Man muss es suchen, finden — und vor allem offen und neugierig sein.
Was alles fehlt
Klar, dieser Artikel wird im Zweifel nicht ausreichen, um offene Fragen in Sachen Gutenberg zu klären. Dazu ist der neue Editor viel zu umfangreich. Auch wird er SkeptikerInnen kein begeistertes Lächeln auf die Lippen zaubern können. All das war auch nicht das Anliegen: Ich wollte lediglich selber Erfahrungen machen und sie mit Ihnen teilen.
Mein Versuch zeigt, dass man grundsätzlich mit Gutenberg arbeiten kann. Und Gutenberg wird bleiben, wird weiterentwickelt werden — denn es handelt sich bereits heute um ein langfristiges Projekt der WordPress-Gemeinde, das nicht morgen „einfach so“ aufgegeben werden wird.
Also ist es heute — nachdem Gutenberg bereits einige Monate „offiziell“ auf dem Markt ist und vermutlich so manche Kinderkrankheit beseitigt wurde — kein schlechter Zeitpunkt, mit dem Umstieg zu beginnen.
Wie geht’s weiter?
Wer dafür nun noch eine gute Anleitung, ja eine Art Kompendium für Gutenberg sucht, wird auf eine Fülle von mehr oder weniger gut gemachten Erklärvideos treffen (ein richtig gutes habe ich noch nicht gesehen). Als empfehlenswert erachte ich die „Gutenberg Fibel“, ein online-Nachschlagewerk mit dem Anspruch, „den neuen WordPress Block-Editor verstehen und anwenden“ zu wollen.
Das ist eine gute und übersichtliche Arbeit, für die ich der Autorin Jessica Lyschik danken möchte.
-Webmaster F.
Lesen Sie den Erfahrungsbericht vom 30. Juni 2019: Mit Gutenberg überworfen